Zentralbanken jetzt für (Gsell’sches) Schwundgeld?

Freigeld aus Wörgel (Östereich) Schwundgeld

Bild 1. Wörgler Schwundgeld aus Wikipedia (gemeinfrei)

Wer das Konzept des Schwundgeldes nicht kennt hier in kürze: Gespartes (Bar- oder Giral-) Geld wird mit der Zeit weniger Wert – dadurch soll es einen Anreiz geben es a) auszugeben und damit die Wirtschaft zu beleben bzw. b) erst gar nicht zu viel Geld unnötigerweise aufzuhäufen und etwas schöneres mit der Zeit zu machen als für Geld zu arbeiten 😉

Bei Club Orlov gab es nun einen durchaus lesenswerten Artikel zu negativen Zinsen – und warum Sie unvermeidbar, ja sogar notwendig sind: https://cluborlov.blogspot.de/2016/06/the-money-cult.html. Anmerkung: Bei negativen Zinsen wird das Geld auf dem Konto (Giralgeld oder in der Spareinlage) mit der Zeit weniger anstatt mehr – das ist dann faktisch Schwundgeld.

Orlov stellt zu den negativen Zinsen 3 Fragen:

1. Why did zero interest rates become necessary?
2. Why are negative interest rates now necessary? and,
3. Why are negative interest rates a really excellent idea?*

Aktuell sind wir aber noch nicht so weit. Für normale Kunden von Banken gibt es bzw. bei Tagesgeldkonten aktuell nur noch minimalste Zinsen (u.a. 0.1%) . Die Banken versuchen oder planen aktuell z.B. über Zusammenschlüsse, Kostensenkungen, Gebührenerhöhungen Ihre Rendite zu sichern. Was ist aber wenn das in Zukunft nicht mehr reichen sollte und die Zinsen z.B. bei der Einlagenfazilität der EZB noch negativer als die aktuellen -0.4% werden sollten?

Schauen wir uns Orlovs Argumentation an. Zu den Fragen:

1. Warum Negativ?

Die erste Frage – also Warum Null-Zinsen nötig sind – beantwortet er folgendermaßen:

Interest rates went to zero because economic growth went to zero.

In Deutsch:

Zinsen gingen auf null weil das Wirtschaftswachstum (vorab) auf null gegangen ist.’

Es ist ganz zentral zu verstehen, das die Zinsen nicht Ursache – sondern folge sind. Und die Zinsen sinken bereits seit ca. 1980! Was war davor? Die erste (Energie bzw.) Ölkrise.

10-Year-Treasury

In einer Welt wo die zukünftigen Erwartungen schlechter sind als die von heute müssen auch zwangsläufig die Zinsen sinken – den hohe Zinsen wären im (Schnitt der Wirtschaftsteilnehmer) nicht realistisch (u.a. da es auch weniger Schuldner gibt die sich auf das Spiel – angesichts schlechterer Rahmenbedingungen und Erwartungen – einlassen).

Wachstum ist nicht unbegrenzt möglich und wird insbesondere determiniert durch billig verfügbare Energie. Seit den 80ern findet aber bereits eine Energie-Substitution statt. Wo vormals billiges und allzeit verfügbares Öl genutzt wurde (u.a. Stromproduktion, Heizung, etc.) wurde es nach und nach durch andere Energieträger abgelöst (u.a. Gas, Atom und Kohleverstromung) – weil Öl für diese Anwendungen zu teuer bzw. zu ‘kostbar’ wurde. Einzig im Transportsektor ist Öl aufgrund seiner Energiedichte und Versatilität (einfache Transportier- und Lagerbarkeit – Öl bringt eben seinen eigenen Speicher mit) bisher unverzichtbar.

2. Warum sind negative Zinsen nötig?

Die zweite Frage – also warum nun negative Zinsen nötig sind – beantwortet Orlov folgendermaßen:

“2. Once you are faced with a continuously shrinking economy, just holding interest rates at zero is not sufficient to forestall financial collapse. The interest rates must go negative.”

Frei übersetzt: In einer (real) schrumpfenden Wirtschaft reicht es nicht die Zinsen bei null zu belassen. Dies da die bereits verschuldet sind nicht pleite gehen – weil dieses sonst Probleme für die Banken und Kapital/Geldhalter bedeuten würde. Dies, da Schulden 1:1 Guthaben gegenüber stehen und Assets (Kapital – also Gebäude, Fabriken, etc.) oft Kreditsicherheiten sind. Fallen Kredite aus – oder werten Assets massiv ab – haben Banken und damit die Wirtschaft – massive Probleme. Lösung im nächsten Schritt: eine ‘Belohnung’ für das ‘verschuldet-sein’ bekommen.

3. Warum ist das ganze eine gute Idee?*

Zu allerletzt diskutiert die Frage drei – warum negative Zinsen gut sind – sowie die Folgen negativer Zinsen, was letztendlich auf eine Spielverlängerung (‘Business As Usual’ – BAU) für unsere Wirtschaft (im Angesicht der LtG) hinausläuft.

Denn wenn es (in Zukunft) eine Belohnung für die Kreditnehmer (die schon oder demnächst Verschuldeten) gibt, dann kann ein (kurz- oder mittelfristiger) Bankrott dieser oft vermieden werden – und neue Spieler haben ein ‘incentive’, eine Belohnung, sich zu verschulden, zu konsumieren und das ganze (Wirtschafts-)Spiel zu verlängern. Denn nur wenn das (Geld bzw.) Kreditsystem als ganzes weiter expandiert und Investitionstätigkeit und Konsum stattfindet kann die nächste (zyklische) Wirtschaftskrise – bei Ausbau der Fallhöhe – verschoben werden.

Aber nichts ist ohne Folgen…. worauf dann der Artikel noch weiter eingeht.


P.S.: * if you ignore certain unintended consequences (which is what everyone does all the time, so let’s not worry about them just yet).

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