Bei Ugo Bardis Blog gibt es gerade einen neuen Gastbeitrag (Some reflections on the Twilight of the Oil Age), den ich zuerst nur für die Wochenübersicht vermerkt hatte – aber er schlägt nun wohl auch Wellen in anderen Foren (u.a. wo ich Ihn verlinkt hatte).
Der Artikel versucht zu beleuchten, ob überhaupt noch genug (fossile) Energie bereit steht um unser Energiesystem weg von den fossilen umzubauen und welcher Zeithorizont uns dafür noch zur Verfügung steht (auf welcher Technologie dieses basiert ist dabei noch nicht einmal klar). Um zu beleuchten, wie viel Netto-Energie für die Wirtschaft bezüglich Öl noch bereit steht wird das ETP-Modell der The Hills Group (THG) verwendet, was u.a. hier ausführlich in Deutsch vorgestellt wird.
Der Beitrag bei Bardi ergänzt eine längere Reihe von Beiträgen die sich mit diesem Thema beschäftigen und versuchen die Kernfrage auf den verfügbaren Daten zu beantworten.
Kurz zum ETP-Modell & dem Energiehaushalt

Bild 1.: Energiehaushalt (Quelle: C. Martenson, Der Crash Kurs, Kapitel 17b)
Das ETP Modell der THG wendet die Gesetze der Thermodynamik auf die Ölförderung an und versucht zu modellieren welcher Netto-Energie-Beitrag des Öls zum anfeuern der Weltwirtschaft in der Zukunft noch bereit steht. In der Peak-Oil Diskussion bei Wallstreet-Online findet sich auch noch ein übersetzter Beitrag der Hills-Group zum ETP-Modell und ein lesenwerter Kommentar zum Beitrag bei Bardi.
Denn ist der Netto-Energie-Beitrag des Öls zum Anfeuern der Weltwirtschaft nicht mehr groß genug, um in den Wirtschaftsprozessen eine Hebelwirkung zu erzielen, welche ausreichend ist, um die noch verbliebenen (aufwendiger zu fördernden und zu verarbeitenden Reserven) wirtschaftlich zu erschließen und zu verkaufen – dann haben wir ein Problem. So wird bereits jetzt angenommen, das der durchschnittliche Barrel Öl nur noch mit ca. 10% seiner thermischen Energie BIP-wirksame Arbeit verrichtet.
Ich hatte vor ca. 2 Jahren zu diesem Thema auch mal etwas zum Thema Energiehaushalt mit Verweis auf Martenson, Tainter und die Produktionstheorie (Grenzwerterträge) verfasst. Ich bitte das PDF (Auszug aus einem großen Dokument) zu lesen, damit das Kernproblem was die THG mit dem ETP-Modell beschrieben hat klarer wird.
Was ist nun die These des Blog-Beitrages bei Ugo Bardi?
Der Beitrag sagt im Kern zwei Sachen aus:
- Wir haben nur noch eine begrenzte Zeit bis der Netto-Energie-Beitrag von Öl unter “null” (ca. 2030 nach ETP-Modell) fällt und “Business as Usual” (BAU) endet.
- Bauen wir das System zu schnell um, dann wird zu viel vom Netto-Energie-Beitrag von Öl in den Umbau gelenkt was das System (BAU) vorzeitig kollabieren lässt.
Dabei ist zu beachten, das Probleme ggf. nicht erst eintreten werden, wenn der Netto-Energie-Beitrag bei null ist – sondern eventuell vorher. D. Meadows nennt dieses auch “Upward Presure” – das System kommt nicht erst am Höhepunkt der Kurve unter Stress – sondern leidet bereits vorab deutlich durch den massiven Gegendruck (vor dem Umkippen). Die THG gibt hingegen zu bedenken, das die Ölförderinfrastruktur (in der ja auch Energie steckt) auf “Verschleiß” gefahren – also die eingebettete Energie “gehoben” – werden kann.
Kritik am Blog-Beitrag und ETP-Modell?
Das ETP-Modell beleuchtet nur Öl, aber nicht andere fossile Energie-Ressourcen wie Gas und Kohle die u.a. schon jetzt die Ölförderung durch ihre höheren ERoEI subventionieren. Öl ist eben “versaltiler” als z.B. Kohle – und Kohlestrom sowie Gas können dafür genutzt werden weiter Öl zu fördern (um z.B. damit z.B. zu fliegen oder Petrochemie zu betreiben). Weiterhin überblicke ich einige Annahmen beim ETP im Bezug auf BIP und Ölpreis nicht ganz (ggf. werden da Aufwände doppelt gezählt) – zudem sind die BIP-Zahlen sehr schwamming.
Im Bezug zur Substitution von Öl ist aber festzuhalten das Öl einen sehr großen Anteil an der Energiebereitstellung aller fossilen Energieträger liefert und gleichzeitig die ERoEI von Kohle, Gas & Co. ebenfalls zurückgehen. Alle <i>Lösungen</i> bedingen zudem ein mehr an Systemkomplexität (Tainer) und kosten so ebenfalls (in der Regel) mehr Energie in der Gesamtbetrachtung -> der Gesamt-ERoEI aller fossilen sinkt weiter.
Die Frage ist zudem ob die aktuellen Nutzer von Öl dann selber auf andere Energieträger substituieren bzw. (überhaupt) wechseln (können). Dies würde die Öl-Nachfrage reduzieren und ggf. sogar weiter zum Verfall der Ölpreise – und zur Abwicklung der Ölindustrie beitragen (womit wir bei einer der Kernaussagen des ETP-Models wären).
Alternativ müssten die Nutzer von Öl einen Mehrpreis für Ölprodukte (bzw. pro Öl-BTU) bezahlen um die Produzenten (indirekt) zu subventionieren. Öl ist aber kein “Kommandowirtschafts-Produkt”, so das bei einem Überangebot bzw. einer Unternachfrage (wie aktuell in 2015/16) ein Aufwandszuschlag nicht bei den Produzenten ankommt. Da die Ölförderer keine langfristigen Preis- und Abnahmegarantien haben, können Sie nicht mehr das Explorations- und Förderrisiko eingehen, können keine Finanzierungen sichern, etc. pp. Es kommt ebenfalls zu einem Niedergang der Ölindustrie – aktuell u.a. da einige Förderstaaten keine andere Wahl haben als zu produzieren, damit Sie Ihren Haushalt bzw. Ihre Gesellschaft weiter allimentieren können.
Andere Krisenfaktoren?
Zu bedenken ist: Die ganze Energie-Bereitstellungskette benötigt ein funktionierendes Finanzsystem um die Vorfinanzierung (Kredit) der nötigen Investitionen bereitzustellen, womit wir u.a. bei den Thesen der Versicherungs- und Finanzmathematikerin von Gail Tverberg sind, welche auch die Dimension Wirtschaft & Kredit einbeziehen. Frau Tverberg kommt in Ihrer letzten Analyse “Energy limits: Why we see rising wealth disparity and low prices” zu ähnlichen (Systemabbruch-)Schlüssen wie die Hills-Group – wobei die Basis noch zusätzliche Komponenten hat (u.a. Kredit, Wirtschaft, sinkende Nachfrage von Konsumenten mit erodierenden Realeinkommen -> “Leistbarkeit“).
Kollabiert das Finanzsystem erleben wir auch einen Abbruch in der realen Welt – welcher auf aktuellem Niveau auch in die (energerische) Dauerkrise führen könnte (bzw. dürfte).
Die Komplexitätsfalle
Ugo Bardi selber geht davon aus, das ein Umbau noch zu schaffen wäre. Dies aber nur unter der Realisierung eines globalen Notstandes (“3. It is technically possible and not so expensive to be beyond our means. However, it is still expensive enough that most likely people will not want to pay the costs of the transition before it will be too late to achieve it, unless we move to a global emergency status.“)

Bild 2. Tainers Komplexitätsfalle (Bildquelle: The Oil Drum)
Ich selber denke das es letztendlich an Tainers “Gesetz” scheitert, welches besagt das (alle) historischen Gesellschaften kollabiert sind, da die Gewinne aus zusätzlicher Investition in Komplexität sinken – bis Sie negativ wurden. Tainers Kernsatz ist denn auch:
“Declining marginal returns on added investments in complexity.”
Die nebenstehende Grafik verdeutlicht Tainers These. Die (fossile) Energie mag zwar noch irgendwo bereit stehen, Sie ist aber zu diffus (unkonzentriert bzw. schwer zu heben) um das immer weiter (aufgeblasene) System noch befeuern zu können. Es sind letztendlich zwei Trends die sich von einander weg bewegen!
Fazit?
In Bezug auf mein persönliches Fazit hat sich bisher nicht viel geändert – sondern nur meine bisherigen Einschätzungen bestätigt, das es extrem schwer sein wird das jetzige System in seinem jetzigen Ausmaß und der Funktionsfähigkeit (BAU) – auch in seinen Machtzentren – über das Jahr 2025-2030 hinaus zu retten. Was das für die persönliche Lebensplanung heißt muss jeder selber entscheiden – so denn er das ganze für wahre Münze nimmt.
Sein wir gespannt auf Teil 2 und 3 bei Ugo Bardis Blog – wo dann Lösungsstrageien aufgezeigt werden sollen wie unter Energiesystem von 88% Abwärme (Verlust) auf bis zu 80% Nutzenergie umgebaut werden könnte.
Weiterführende Links
- Riesiges Q&A zum ETP-Modell: http://peakoil.com/forums/the-etp-model-q-a-t70563.html
- ETP-Modell in Deutsch: http://www.peak-oil.com/2015/11/das-etp-modell-der-hillsgroup-eroi-des-oelfoerdersystems/